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(Post)Doktoranden-Kolloquium: Jüdischer Film- Jüdische Filmgeschichte(n)- Jüdisches Filmerbe?

09.01.2023

Bei dem Versuch das Feld ‚Jüdischer Film‘ definitorisch einzuordnen, stehen wir vor einigen
Schwierigkeiten. Zunächst kann bereits die Attribuierung des Gegenstandes Film als ‚jüdisch‘ mit
problematischen Essentialisierungen einhergehen. Daher müssen die Aushandlungen ‚des Jüdischen‘
mit all ihren Komplexitäten, Selbst- und Fremdzuschreibungen sowie Intersektionalitäten jeweils neu
beschrieben werden. Zudem ist das Feld in Deutschland nicht strukturell verankert und somit nicht
nur die Forschenden selbst interdisziplinär versprengt, sondern auch die jeweiligen
Untersuchungsgegenstände überaus divers.

Ein Schritt zur Vermessung des Forschungsfeldes in Deutschland und der Problematisierung der
verschiedenen Gegenstandsbestimmungen ist mit dem im Januar 2021 von der Filmuniversität
Babelsberg in Kooperation mit dem Selma Stern Zentrum veranstaltete (Post-)Doktorand*innen
Kolloquium „Jüdischer Film“ getan worden. Das Kolloquium hat gezeigt, dass durch die Vernetzung
der unterschiedlichen Erkenntnisperspektiven, erfolgreiche Reflexionen angestoßen und innovative
methodische Verschränkungen erarbeitet werden können. Daran soll angeschlossen, das bereits
entstandene Netzwerk weiter ausgebaut und Forschungsperspektiven konkretisiert werden.
‚Jüdische Filmgeschichte(n)‘ und ‚Jüdisches Filmerbe‘
Wie können Zusammenhänge zwischen historischen Ereignissen, Populärkultur und Zuschreibungen
‚des Jüdischen‘ an der Schnittstelle ‚Jüdischer Film‘ neu gedacht werden? Die thematische
Bandbreite des letzten Kolloquiums hat verdeutlicht, dass eine breitere Definition des Gegenstandes
als der ‚Jüdischen Filmgeschichte(n)‘ die Chance bietet, jüdische Erfahrungen und Filmgeschichte zu
untersuchen und so historische, sozialpolitische und auch medientechnologische Kontexte
mitzudenken. Infolgedessen werden nicht nur die filmischen Texte selbst relevant, sondern auch
Institutionen, die sich der Bewahrung des jüdischen Filmerbes angenommen haben oder
Motivgeschichten bestimmter Aspekte jüdischen Lebens. Das Kolloquium hat erarbeitet, dass diese
Zusammenhänge dabei vor allem auch als selbstermächtigendes Ausdrucksmittel interpretiert
werden können, sei es als Instrument der politischen Störung oder als Ausdrucksmöglichkeit
jüdischer Selbstverständnisse durch die Populärkultur. Gleichzeitig weichen ‚Jüdische
Filmgeschichte(n)‘ national eingegrenzte Forschungsperspektiven auf, fordern Konstruktionen der
Differenz heraus und ermöglichen es, die strukturelle Beschaffenheit antisemitischer Klischees
sichtbar zu machen. Da wo die ‚Jüdische Filmgeschichte(n)‘ jedoch durch kontextuelle und
historische Verankerungen an ihre Grenzen stoßen, kann der Begriff des ‚Jüdischen Filmerbes‘ neue
Perspektiven eröffnen. ‚Jüdisches Filmerbe‘ versteht Film als intellektuelles und immaterielles
Erbe und macht die Bedingungen sichtbar, unter denen Filmgeschichte geschrieben wird. So rücken
nicht nur Archivierungspraxen und Verwendungsgeschichten in die Betrachtung, sondern auch
parafilmische und filmbegleitende Materialien (Paratexte) sowie die Diskursivierungen des
Gegenstandes ‚Jüdischer Film ‘ selbst.
Um die Entwicklungen im Feld zu konkretisieren und die verschiedenen Ansätze in einen Austausch
zu bringen, veranstaltet die Forschungsgruppe ‚Was ist jüdischer Film?‘ der Filmuniversität
Babelsberg Konrad Wolf in Kooperation mit dem Selma Stern Zentrum ein zweites (Post-
)Doktorand*innen Kolloquium.
Das diesjährige Kolloquium bietet die Möglichkeit, Ideen und Forschungsergebnisse zu präsentieren,
Methoden und Fragestellungen zu erproben und neue Ansätze mit etablierten PostDocs zu
diskutieren. Außerdem soll gemeinsam über die Perspektiven des Gegenstandes als ‚Jüdische
Filmgeschichte(n)‘ und ‚Jüdisches Filmerbe‘ nachgedacht und so die Konturen des Feldes ‚Jüdischer
Film‘ geschärft werden.
Bewerbungen von Teilnehmenden des letzten Kolloquiums sind daher ausdrücklich erwünscht.
Dieser offeneren Definition des Feldes folgend, sollen dabei nicht nur filmische Texte,
sondern beispielsweise auch Diskurse über Film oder Institutionen zur Bewahrung des ‚Jüdischen Filmerbes‘ betrachtet werden. Gezielt sollen auch andere Formen und Medien, wie Videokunst oder
Social Media thematisiert werden.
Exemplarische Themenbereiche können sein:
• Neue Ansätze und Methoden der Erforschung ‚Jüdischen Films‘
• Film, Erinnerung und Zeugenschaft
• Jewish Moments in Rezeption und Filmkultur
• Antisemitismus und Umgang mit belastetem Filmerbe
• Musealisierung, Kuratierung und Archivierung Jüdischen Films
• Jüdische Filmkultur und Videokunst
• Jüdische Filmschaffende und Fragen der Biografieforschung
• Religion, Orthodoxie und Film
• Jüdische Ästhetik und Medienphilosophie
• Historische Perspektiven auf Judentum und Film
• Transnationale Verschränkungen im Bereich ‚Jüdischer Film‘
Das Kolloquium findet online statt und richtet sich an Promovierende sowie PostDocs aller
Fachrichtungen, die zu audiovisuellen Auseinandersetzungen mit ‚dem Jüdischen‘ forschen und
institutionell in Deutschland angebunden sind.
Das Kolloquium kann zu gleichen Teilen aus Vorträgen und Projektvorstellungen bestehen; offenere
Formate (z.B. Videoessays, Poster-Präsentationen, Lektüre und Diskussion kurzer eigener Texte) sind
erwünscht. Die Sprachen des Kolloquiums sind Deutsch und Englisch.

Zeit & Ort

09.01.2023

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